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Friedrich Weißler

ev. Jurist
* 1891   † 1937

Friedrich Weißler

Kindheit und Jugend

Friedrich Weißler wurde als dritter Sohn von drei Söhnen des bekannten jüdischen Juristen Adolf Weißlers in Königshütte/ Oberschlesien geboren. Die Familie siedelte bald nach Halle/Saale über, weil das für die juristisch - publizistische Arbeit des Vaters von Vorteil war.

Religiös tendierte die Familie zum säkularisierten Judentum und dann erfolgte schrittweise die kulturelle Assimilation an das Bildungsbürgertum des deutschen Kaiserreiches. Infolgedessen erfolgte auch die Konversion zur protestantischen Kirche. Sie ließen ihre Söhne taufen und im christlichen Sinne erziehen, obwohl sie selbst dem Glauben gegenüber distanziert blieben.

So wurde Fr. W. auch konfirmiert, was für ihn wirklich bedeutsam war.

Fr. W. war ein begabter Schüler. Nur kräftemäßig konnte er mit den Mitschülern nicht mithalten. 1909 legte er sein Abitur ab, trat in die Fußstapfen des Vaters, studierte Jura in Halle und Bonn und promovierte im Februar 1914 und begann als Rechtsreferendar am Landgericht Halle. Im August 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, Ende Dezember 1918 kehrte er endgültig heim. Sein Vater konnte die Niederlage Deutschlands nicht verkraften und nahm sich 1919 im Juni das Leben. Fr. Weißler verließ daraufhin mit seiner Mutter Halle und schloss seine juristische Ausbildung in Berlin ab.

Friedrich Weißler als Jurist

Im Herbst 1920 trat er sein erstes Amt am Amtsgericht Halle an. 1922 heiratete er die Pfarrerstochter Johanna Schäfer. Der Familie wurden 2 Söhne geboren, Ulrich und Johannes. Fr. W. galt als sehr befähigter Jurist und bekleidete bald weitere Ämter. 1925 wird er Landgerichtsrat in Halle. Wie sein Vater betätigt er sich auch in seinem Fach publizistisch.

Während Fr. W. zunächst deutsch- national aufwuchs, war er nach Ende des Kaiserreiches politisch sehr auf der Suche. Das Emporkommen des Nationalsozialismus sah Fr. W. mit großer Sorge und sah sofort auch den Gegensatz zum Christentum.

1932 erfolgte die Beförderung zum Landesgerichtsdirektor des Landesgerichts Magdeburg.

Im Februar 1933 kurz nach der Machtergreifung Hitlers fand am Magdeburger Landgericht eine Verhandlung gegen einen jungen SA- Mann statt, der zwei Polizisten beleidigt hatte. Weil dieser zur Verhandlung in SA – Uniform erschien, verhängte das Gericht eine Ordnungsstrafe von 3RM. Das zog eine Hetzkampagne gegen den „jüdischen Richter“ in der nationalsozialistischen Presse nach sich. Es entstand ein öffentlicher Skandal, die Gauleitung bat telegraphisch Hitler um Einschreiten. Daraufhin drangen Angehörige der SA und der NSDAP u. a. in das Gerichtsgebäude ein, zerrten den verhassten Richter herbei und zwangen ihn die Schwarz-Weiß–Rote sowie die Hakenkreuzfahne zu grüßen.

Bedrängnisse

Am nächsten Tag wurde Fr. W. vom Dienst suspendiert und am 4. August 1933 endgültig entlassen.

Jeglicher Protest blieb umsonst. Die Familie verließ nun Magdeburg und zog nach Berlin.

Verfemt als „Nichtarischer“ und vom Dienst entlassen, was sollte nun werden? In den Staatsdienst konnte er nicht zurück, auch andere Wege schienen ihm verschlossen. Fr. W. wendete sich im Laufe des Jahres 1934 der Bekennenden Kirche zu. Ein großer Teil der Kirche wurde ja von den Deutschen Christen beherrscht, die den Arierparagrafen übernommen hatten und einen scharfen Antisemitismus propagierten. So war der einzige Weg in die Kirchenopposition. Und er hielt sich zu dem entschiedenen Flügel der Bekennenden Kirche, zu dem auch M. Niemöller zählte. Er erhielt von der Vorläufigen Kirchenleitung eine ehrenamtliche Anstellung als Bürochef und juristischer Berater. Innerhalb der BK gab es auch Spannungen über den richtigen Umgang mit der politischen Situation, die dadurch bedingt waren, dass die staatlichen Machthaber versuchten, alle Bereiche der Kirche unter ihre Kontrolle zu bringen. Das führte zu verschiedenen Brüchen und einer neuen Leitung. Fr. W. wurde jetzt Kanzleichef innerhalb der BK und hatte damit wieder ein verantwortungsvolles Amt.

Das „Wort an die Gemeinden“

Im März 1936 wurde von der neuen Kirchenleitung überlegt, ein „Wort an die Gemeinden“ und ein „Wort an den Staat“ zu verfassen. Fr. W. wirkte dabei intensiv mit, auch wenn er kein Theologe war. Die Denkschrift war ein diskretes Unternehmen und unterlag hoher Geheimhaltung. Die Schrift sollte im Sinne einer Eingabe - aus tiefer Sorge heraus- direkt an Reichskanzler Hitler gerichtet werden. Darin wurde Folgendes angesprochen: Es findet inzwischen ein Kampf gegen die christliche Kirche statt; es wird vom „positiven Christentums“ geredet, was dem eigentlichen christlichen Glauben zuwider läuft. Die Eingriffe des Staates in die inneren Strukturen und das Glaubensleben der Kirche, die „Entkonfessionalisierung“ des öffentlichen Lebens, z. B. der Schulen, der theologischen Ausbildung an den Universitäten.

Die NS - Weltanschauung als Ersatz des zu überwindenen christlichen Glaubens.
(Verstoß gegen das 1. Gebot)

Die „Verherrlichung des arischen Menschen“,Antisemitismus und Judenhass, eine „wesensfremde Sittlichkeit“, Überhandnehmen von Eiden u. Ä..

Angeprangert werden Willkür in Rechtsdingen und die Maßnahmen der Gestapo.

Mit Sorge sieht die Kirche, dass ein“ antigöttlicher Geist“ auf Grund menschlicher Überheblichkeit zur Herrschaft gelangen soll. Dazu gehört auch die Vergötterung des Führers.

Diese Denkschrift wurde persönlich am 4.Juni durch Pfarrer Jannasch in der Reichkanzlei abgegeben.

Am 16. Juli 1936 erschien in der „New York Herald Tribune“ ein Artikel über die geheim gehaltene Denkschrift. Am 23. Juli erschien die Denkschrift sogar im Wortlaut in den „Basler Nachrichten“.

Das politische Berlin war zu der Zeit mit den Olympischen Spielen beschäftigt, so kam von dort keine Reaktion. Aber in Kreisen der BK herrschte große Unruhe und Verwirrung. In den eigenen Reihen musste es ein Leck geben. Die BK wandte sich sogar selbst an den Staat, der helfen sollte die Indiskretion aufzuklären.- Das „Wort an die Gemeinden“, ( im Sinne der Denkschrift gehalten), wurde trotzdem in vielen Gemeinden verlesen. Inzwischen fiel der Verdacht auf Fr. W., der mit Ernst Tillich zusammengearbeitet hatte. Dieser informierte ausländische Pressedienste während des Kirchenkampfes nach dem Weggang Werner Kochs.

Obwohl die Kirchenleitung keineswegs sicher war über die Täterschaft Fr. W., einiges sprach dagegen, wurde er vom Dienst suspendiert.

Der Leidensweg

Kurz vor Mitternacht am 7. Oktober 1936 verhaftete die Gestapo Fr. W. in seiner Wohnung in der Meinigenallee. Er wurde in das Polizeigefängnis am Alexanderplatz gebracht. Die Gestapo durchsuchte die Wohnung und beschlagnahmte Papiere und anderes. Ebenfalls verhaftet wurden Ernst Tillich und Werner Koch und vorübergehend Dr. Heinrich Schmidt.

Die Bedingungen des Polizeigefängnisses entsprachen den damaligen strengen Bedingungen im preußischen Justizvollzugs. Doch er konnte Kontakt zu seiner Frau haben. Nirgends wird sein persönlicher Glaube so deutlich, als in diesen Briefen aus der Haft.

Bei den Verhören konnte aber nicht abschließend geklärt werden, wie die Denkschrift ins Ausland gelangt war. Offensichtlich gab es verschiedene „undichte Stellen“. Die Verbindung Weißler – Tillich war nur eine von ihnen. Eine Verurteilung vor Gericht versprach deswegen wenig Erfolg. Eine Freilassung der „Schutzhäftlinge“ kam auch nicht in Frage. Also fiel die Entscheidung: Überweisung in ein Lager.

Inzwischen distanzierten sich die meisten führenden Leute der BK immer mehr von Fr. W.. Man wollte sicherstellen, dass er nicht im Auftrag und Interesse der Leitung der VLK gehandelt hatte und so der Verdacht auf die ganze BK fiele. - Was für eine Entscheidung?!

Am 13. Februar wurden Fr. W. sowie Werner Koch und Ernst Tillich in das KZ Sachsenhausen überführt. Dort wurde Fr. W. allein abgeführt und in dem Zellenbau (Bunker“) in einer Einzelzelle untergebracht. - Auf der Transportliste hatte es den Vermerk gegeben, dass er „Jude“ sei. - Hier verbrachte er die letzten Tage seines Lebens. Es waren Tage und Nächte des Martyriums, denn eine Gruppe SS-Leute kamen immer wieder in seine Zelle und quälten ihn nach und nach buchstäblich zu Tode mit Schlägen und Tritten ihrer schweren Stiefel. Am 19. Februar fand man ihn verstorben auf. Durch den Lagerarzt und die Wachmannschaft wurde zuerst ein Suizid angegeben.

Die Nachricht vom Tode Fr. W. verbreitete sich schon am nächsten Tag in der Bekennenden Kirche.

Dort wurden sofort Zweifel an der Todesursache laut.

Frau Weißler durfte ihren Mann nur kurz und größtenteils verdeckt in der Obduktionshalle sehen. Doch die Gewaltspuren waren nicht zu vertuschen.

Weil der Fall nun also Aufsehen erregte, schaltete sich bald der Generalstaatsanwalt beim Landgericht Berlin ein und forderte die Aufklärung der Vorgänge. Obwohl schwere Misshandlungen nachgewiesen werden konnten, kamen die betreffenden SS-Männer mit milden Strafen davon.

Fr. W. wurde dann am 25. Februar auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf beerdigt. Pfarrer Assmussen hielt die Trauerpredigt. Einige Hundert Personen: Verwandte, Freunde, Bekannte, Pfarrer und Mitglieder der Bekennenden Kirche nahmen teil. Alles geschah unter den wachsamen Augen der Gestapo, die schon im Vorfeld viele Auflagen für diese Beerdigung erteilt hatte. Man fürchtete sich vor Protest und politischen Anklagen.

Obwohl Friedrich Weißler der 1. Märtyrer der Bekennenden Kirche war, ist sein Gedenken viele Jahre in den Hintergrund gerückt. Erst 2017 zum 80. Jahrestag seines Märtyrertodes wurde in verstärkter Form seines Wirkens und Leidens durch die Kirche gedacht.

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